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INHALT "K-ZUG"  
   
 

KATASTROPHENZÜGE DER DR

 
 
WAGEN FÜR DEN "E-FALL"
ZUSÄTZLICHE BETTENWAGEN FÜR DEN VERTEIDIGUNGSFALL
 
Abschließend zum Thema "Wagen und Technik" noch ein Sachverhalt, der nicht so ganz einfach darzustellen ist. Hier reicht es nicht mehr, die Inhalte vor allem als Techniker zu sehen... Wenn es dazu gekommen wäre, dass man in der maßgeblichen Schaltzentrale der DDR die im Folgenden beschriebene "Option" gezogen hätte, säßen wir jetzt wohl alle nicht mehr hier...
 
Ganz konkret geht es um Fahrzeuge, die die DR offenbar für einem möglichen Eintritt des Verteidigungsfall zur Erhöhung der Kapazitäten der K-Züge (und damit ihre "Entfaltung in Lazarettzüge") speziell vorgerüstet für den schnellen Umbau zu Behelfsbettenwagen und Unterkunfswagen vorhielt.
Dies waren Sachverhalte, die offenbar einer sehr hohen Geheimhaltungsstufe in der DDR unterlagen und wohl nur einem sehr kleinen Personenkreis umfänglich bekannt waren. K-Zug-Personalen war wohl bekannt, dass da Wagen mit speziellen Vorrüstungen innerhalb des ganz normalen Reisezugparks vorgehalten wurden - aber eben keine wirklich konkreten Dinge. Mutmaßungen sind bezüglich des Themas "K-Züge" so überhaupt nicht mein Ding - aber hier bleibt mir keine andere Wahl...
 
Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung in Mitteleuropa war es im Warschauer Pakt so vorgesehen, dass die NVA auf dem Territorium der DDR auch die schienengestützten Verwundetentransporte (Lazarettzüge) für die Sowjetarmee bzw. für alle dort handelnden militärischen Formationen der Warschauer Vertragsstaaten zu übernehmen hatte.
 
Um die zu erwartende große Anzahl von Verwundeten aufnehmen zu können war vorgesehen, die geringen Bettenkapazitäten der 14 K-Züge durch eine schnelle Zuführung von kurzfristig zu Behelfsbettenwagen umgerüsteten Reisezugwagen deutlich auf ein Vielfaches der K-Zug-Kapazitäten zu erhöhen. Ähnlich der bei der DB gewählten Verfahrensweise, im Bedarfsfall entsprechend vorgerüstete Reisezugwagen („Silberlinge“) kurzfristig als Krankenwagen / Bettenwagen umrüsten zu können, hielt auch die DR in den 80-er Jahren eine Anzahl von speziell vorbereiteten Reisezugwagen der Bauart Bmh („Halberstädter Mitteleinstiegwagen“) für eine schnelle Umrüstung vor.
Eine bestimmte Anzahl Bmh-Wagen hatte entsprechende Vorrüstungen, um kurzfristig zu „Behelfsbettenwagen“ umgebaut zu werden und so aus den K-Zügen „ausgewachsene“ Lazarettzüge zu bilden.
 
Ein Reisezugwagen vom Typ Bmh der DR - einige dieser Wagen besaßen eine besondere Vorrüstung, um sehr schnell zu Behelfsbettenwagen für Lazarettzüge umfunktioniert werden zu können. Dank an S. Linberg, die mir das Bild zur Verfügung stellte.
 
Leider liegen keine belastbaren Angaben darüber vor, wie viele Wagen eine solche Vorrüstung hatten.
Mit etwas Mathematik lässt sich aber der ungefähre Bedarf solcher Fahrzeuge zumindest theoretisch ermitteln:
Geht man nämlich von der Ausschöpfung der Kapazität der Küchenwagen aus, kann man pro K-Zug von einem „Bedarf“ von 4 bis 5 umrüstbaren Bmh ausgehen. Dies ergäbe bei 14 Zügen eine Gesamtzahl von 56 bis 70 vorgerüstet vorzuhaltenden Bmh-Wagen…
Im einfachsten Fall hätten die betreffenden Bmh-Sitzwagen mit entsprechenden Ankerpunkten für die Anbringung der Tragenhalterungen ausgerüstet sein müssen. Und natürlich war die Ausrüstung mit Dampfheizung unabdingbare Voraussetzung. Andererseits waren auch Ort und Art der Einlagerung der Tragenhalterungen zu regeln.
Noch nicht in Erfahrung gebracht werden konnte in diesem Zusammenhang,
- ob die betreffenden Bmh auf die Bww mit einem (bzw. 2 im Falle Seddin) K-Zug im Bestand genau aufgeteilt waren – ob also die K-Zug-Bww in ihrem Reisezugwagen-Einsatzbestand auch die entsprechende Anzahl vorgerüsteter Reisezugwagen hatten,
- ob die entsprechenden Materialien für die Umrüstung (insbesondere die Tragenhalterungen, Krankentragen, Verdunklungseinrichtung) ebenfalls in den betreffenden Bww (sicherlich unter Verschluss) eingelagert waren oder die Einlagerung an zentraler Stelle (z.B. RAW) erfolgt ist,
- durch wenn die Umrüstungen hätten erfolgen sollen – in Regie der betreffenden Bww oder zentral in einem RAW,
- ob die vorgerüsteten Fahrzeuge bestimmten Einschränkungen hinsichtlich des Einsatzes (z.B. kein Einsatz im internationalen Verkehr) unterlagen.
 
Die genauen Handlungsanweisungen zur Umrüstung ausgewählter Wagen hätten die beteiligten Dienststellen der DR dann wohl nach der befohlenen Öffnung des Geheimdokumentes „Ausruf des Verteidigungszustandes“ erhalten.
     
  Anders als bei den für eine solche Umrüstung vorgesehenen Wagen der Bauart Bn724 der DB gehörten die vorgerüsteten Bmh ganz offensichtlich nicht zu einer eigenständigen, aus der Fahrzeugnummer ersichtlichen „Sonderbauart“, waren also nicht für Jedermann mit Hilfe der Wagennummer zu identifizieren.  
     
  Für die Unterbringung des Personals der Lazarettzüge wären neben der Erhöhung der Anzahl der Bettenwagen für die Verwundeten auch die Beistellung von geeigneten Begleiterwagen, z.B. in Form von Liegewagen o.ä. zwingend erforderlich gewesen. Über diesbezüglich geplante Vorgehensweisen konnten noch keine Angaben in Erfahrung gebracht werden und auch in den Protokollen der jährlichen K-Zug-Leiter-Tagungen sind dazu keinerlei Angaben zu finden. Offenbar wurden genau diese Vorgaben mit einem höheren Geheimhaltungsgrad getroffen…
Und so schließt sich diesbezüglich auch der Kreis zu den Heizkesselwagen, die seit den 70-er Jahren teil der strategischen Reserve des MfV waren: die Heizwagen wären zwingend benötigt worden, da die Behelfsbettenwagen nicht über eine unabhängige Heizanlage verfügten...
 
     
  Spätestens jetzt bin ich als Autor an einem ganz wunden Punkt...  
  Schon zu Anbeginn meines Beitrages wurde sichtbar, dass der Einsatz der K-Züge mit militärischem Hintergrund als 5-Wagen-Zug allenfalls zu Friedenszeiten als eine Art „mobiler militärischer Med-Punkt“ (das waren die medizinischen Stützpunkte einer militärischen Formation teilweise unterhalb eines Regimentes am Heimat-Standort nach der DDR-Begriffswelt) für größere Operationen / Übungen bis maximal zum Divisionsumfang als „mobiler Regimentsverbandsplatz“ brauchbar waren... Für ein „MEHR“ fehlten wesentliche „Baugruppen“ und militärstrategisch war mit den K-Zügen erst recht nicht viel auszurichten - eben so ein K-Zug nur eine kadrierte Quelle für einen zu entfaltenden Lazarettzug war. So richtig funktionieren konnte so eine K-Zug-Einheit nur als entfalteter Lazarettzug.  
     
  Jahrelang habe ich das Thema – na sagen wir – nicht bis zum Ende durchdacht. Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, dass da irgendwie etwas überhaupt nicht passt. Erst jetzt, als ich mich wieder ganz intensiv mit der Thematik auseinander gesetzt habe, ist dieser Widerspruch „hochgekocht“.  
     
  Der „Buschfunk“ - eine ganz wichtige Informationsquelle während der DDR-Zeit – sprach von den vorgerüsteten Bmh-Wagen, die für die Entfaltung der K-Züge zu kompletten Lazarettzügen ermöglicht hätten.
Nur – die K-Züge wurden 1952 in Dienst gestellt und die Bmh-Wagen gab es ab 1978. Was war da in der Zeit zwischen 1952 und 1978? Oder warum plötzlich ab 1978?
In der DV971 ist in dieser Hinsicht überhaupt nichts vermerkt!
Gab es auch zwischen 1952 und 1978 schon Reisezugwagen, die zu einem schnellen Umbau von Sitz- zu Lazarettwagen vorgesehen oder zumindest vorausgewählt waren?
Das muss so gewesen sein, denn trotz aller Vorbehalte gegen den DDR-Staatsapparat – so doof war auch da keiner. Genau so eine Vorhaltung zur Ergänzung der K-Züge mit geeigneter Fahrzeuge muss schon ab 1952 ganz klar geregelt gewesen sein.
Meine Gedanken gehen diesbezüglich in Richtung der ab 1954 in einer Stückzahl von 200 Stück gebauten Reisezugwagen E5 – mit seinen Doppeltüren in der Wagenmitte hätte er beste Bedingungen für die Be- und Entladung nichtgehfähiger Personen geboten.
 
     
 
 
 
Hier der Schwarzenberger "Museums-E5"...
 
     
  Das waren zum Zeitpunkt ihrer Indienststellung moderne Fahrzeuge, die bei der DR ein langes Leben vor sich hatten. Es bestand damit für ein Vierteljahrhundert überhaupt kein Bedarf für weitere neue Fahrzeuge für diesen geheimen Zweck. Zwischen dem Auslauf der E5-Serienproduktion in den 1950-er Jahren und 1977 mit dem Beginn der Serienproduktion des Bmh hätte sich auch schwer eine Wagenbauart finden lassen, die aufgrund der Enge ihrer Einstiegräume für den angepeilten fiktiven Zweck geeignet gewesen wäre.  
     
  Im Komplex „Geschichte der K-Züge“ hatte ich die benötigte Anzahl von Reisezugwagen, um die 14 K-Züge zu Lazarettzügen zu entfalten, mal hochgerechnet. Wie sie sich, lieber Leser, sicher erinnern können, bin ich mit meinem Rechenüberschlag auf einen Bedarf von rund 100 Reisezugwagen gekommen. Die kurzfristige geregelte Umrüstung von 100 Reisezugwagen, davon ca. 70 Krankenwagen lässt sich nicht ohne einen im Voraus genau geplanten Prozess durchführen. Schließlich müssen die vorausgewählten Fahrzeuge aus dem regulären Verkehr herausgelöst, den vorgesehenen Werkstätten zugeführt und dort kurzfristig umgebaut werden. Und das alles vermutlich auch noch während der laufenden Mobilmachung. NEIN – das erzählt mir keiner, dass da nix ganz haarklein vorbereitet war.  
     
  Ich versuche mal eine hypothetische Antwort...
Im Jahr 2017 konnte ich einige Unterlagen der Stasi-Behörde das Thema „K-Züge und den D1072“ betreffend einsehen.
Es ist überhaupt nicht zu verstehen, in welcher „Bespitzelungstiefe“ das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die Prozesse rund um das Personal und die Einsätze der K-Züge und des D1072 überwacht hat. Bedenkt man, dass die K-Zug-Personal vollumfänglich vom MfS für genau den Einsatz auf den K-Zügen durchleuchtet und bestätigt waren, ist die Schnüffelei durch das „Schild und Schwert der Partei“ gegen genau dieser bestätigten Personale schon erstaunlich. Dort hat sich die Stasi genau genommen selbst bespitzelt…
IM-Berichte sprechen von Alkoholismusvorwürfen gegenüber K-Zug-Leitern und „Drücketismus“ und Arbeitsunlust von K-Zug-Mitarbeitern. Selbst die jährichen Tagungen der K-Zug-Leiter wurden bespitzelt und deren Beobachtungen nach oben gemeldet.
 
  Offenbar war das Misstrauen im MfV und dem MfS gegenüber den wenigen „um die Kapazitäten der K-Züge wissenden leitenden Mitarbeiter der DR“ so groß, dass die Geheimhaltungsstufe bezüglich der Vorhaltung speziell vorbereiteter Fahrzeugkapazitäten für die Entfaltung der K-Züge zum vollwertigen Lazarettzug von „vertrauliche Dienstsache“ der DV971 auf eine noch höhere Geheimhaltungsstufe erhöht wurde.
Man könnte mir entgegenhalten, dass mir als Ingenieur für Kraftwerkstechnik einfach entsprechende militärstratgische Kenntnisse fehlen würden und die Zeit bis entfaltete Lazarettzüge zwingend benötigt werden allemal ausreichend seien, die o.g. Dinge auf den Weg zu bringen. Das mag fürden Beginn des Wk1 stimmig gewesen sein und vielleicht hat Deutschland auch diesbezüglich zu Beginn des WK2 der Schlagkraft seiner Truppen vertraut, aber für die Zeit des kalten Krieges ist das mit Sicherheit kein Argument...
 
     
  Die eingesehenen Unterlagen der Stasi-Unterlagenbehörde haben hier keinerlei Klärung bringen können. Unterlagen könnten sich aber auch im zum Bundeswehr-Archiv in Freiburg (Breisgau) überführten Archiv der NVA befinden. Das Bundeswehr-Archiv ist allerdings für Zivilpersonen nicht so ganz einfach zugänglich.
Hier bleiben einfach ganz „tiefschürfende“ Fragen offen...
 
     
 
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©2018 Burkhardt Köhler